Die Demoszene

Die Demoszene ist ein Netzwerk von Computer-Enthusiasten, das bereits lange vor den Struk­turen heutiger Internet-Communities existierte. Gegenstand dieser vor allem in Euro­pa verbreiteten kreativen Subkultur ist Produktion und Austausch audiovisueller Präsenta­tionen (Demos), bei denen es sich nicht um digital erstellte Filme handelt, sondern um Pro­gramme, die auf handelsüblichen PCs oder aber auch antiquierten Homecomputern in Echt­zeit ausgeführt werden. Dabei spielen ästhetische Aspekte genauso eine Rolle wie die Aus­nutzung der technischen Möglichkeiten der Maschine, auf der die Demo läuft.

Die Szene ging aus der Cracker-Kultur der 1980er Jahre hervor. Software - vor allem Computerspiele - wurde auf Disketten, Cassetten und Steckmodulen angeboten. Das of­fene Konzept des programmierbaren Homecomputers lud dazu ein, diese Software zu "knacken", also im Programm­code zu stöbern, die Funktionsweise nachzuvollziehen, Spiel­bedingungen, Textbausteine und Grafikelemente zu ändern und nicht zuletzt Kopierschutzmaßnahmen zu ent­fernen, um das modifizierte Spiel dann ungehindert weiter­kopieren zu können. Im Windschatten der aufblühenden Computerspielindustrie entwickelte sich somit die Cracker­Szene und mit ihr ein Wettkampf um die Belieferung des Software-Schwarzmarktes mit möglichst frischen illegalen Kopien. Aber dieser Wettbewerb wurde auch auf dem ästhetischen Feld geführt: An das geknackte Spiel wurde ein Vorspann angefügt, ein farbiges, meist bewegtes Spektakel aus Schrift und Bild, das möglichst eindrucksvoll denjenigen bewerben sollte, der für den Crack verantwortlich war. Diese sogenannten "Intros" beinhalteten meist grafisch aufwändig ge­staltete und durch zahlreiche Bewegungs- und Farbeffekte in Szene gesetzte Logos, vorbei­rollende Textinformationen und Musik. Damit standen die Intros den zeitgenössischen Com­puterspielen in ihrer audiovisuellen Präsenz oft in nichts nach. Relativ bald lösten sich diese Titelsequenzen von den illegalen Spielkopien und wurden als unabhängige "Demos" auf Dis­kette getauscht und verbreitet.

Nachdem die Demoszene auch auf anderen Computer­plattformen wie dem Amiga 500 oder dem Atari ST Fuß fasste, entwickelte sich ein Bewusstsein für Design, Dramaturgie und audiovisuelle Regie. Qualität wurde fortan immer zwischen den beiden Polen "technisch trickreich" und "ästhetisch überzeugend" verhandelt. Mittels 3D-Vektorgrafik traten bewegte Objekte aus der Bildfläche heraus und legten an Komplexität, Flexibilität und realistischer Schattierung beständig zu. Die zweidi­mensionalen Kompositionen aus Text und Bild wurden nach und nach durch räumlich einheitliche Szenarien abgelöst, die losen Sammlungen von per Mausklick an- und abwählbaren Einzelszenen wichen streng linear durchgeplanten Abläufen.

Mitte der 90er Jahre verlagerte sich die Konzentration der Demo-Produktion auf den IBM-PC, dessen techni­sche Spe­zifikationen ständig aktualisiert wurden, wo­durch die Sze­ne-Programmierer jährlich von verbes­serten Bedingungen wie schnelleren Prozessoren, mehr Arbeitsspeicher, höhe­ren Bildschirmauflösungen und leistungsfähigeren Grafik­karten profitierten. Es folgte der Umstieg auf das Betriebs­system Windows, höhere Programmiersprachen wie C++, komfortable Entwick­lungsumgebungen und fertige Pro­gram­mierschnittstellen wie DirectX und OpenGL. Ange­sichts der rasanten tech­nologischen Entwicklung war es im­mer weniger möglich, die zentrale Motivation der Demo­programmierung im Sprengen der Hardware-Begrenzun­gen zu suchen.
Um dieser schwindenden Herausforderung zu begegnen, etablierte die Szene freiwillige, selbstgesetzte Restriktionen wie z.B. die "size limitations", bei denen die ausführbare Demo eine bestimmte Dateigröße nicht überschreiten darf. Auf diese Weise entstanden künst­le­risch- sportliche Disziplinen wie 64k- oder 4k-Intros, deren Größe in Byte nicht einmal das Volumen eines leeren Word-Dokuments erreicht, mittels ausgefeilter Programmier­tech­ni­ken jedoch umfangreiche, detaillierte und eindrucksvolle Bildwelten möglich macht. Es ist also gerade die Beschränktheit sowie die freiwillige Selbstbeschränkung der Compu­ter­hard­ware, die für die Demoszene der stärkste Impuls für kreative Gestaltungslösungen dar­stellt und damit die materiellen Bedingungen für digitale Ästhetik zu Problemvorgabe macht.